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„James Rosenquist. Eintauchen ins Bild“

Licht und Schatten, verwirrendes Blätterwerk in Schwarz und Weiß, farbige Strahlen aus einer Mitte, die wie eine Blume aussieht. Ist diese Mitte das Nadelöhr und die runde Scheibe der Amboss? „Through the Eye of the Needle to the Anvil“ heißt das Bild von 1988. Gehören die wunderschönen hellblauen glänzenden Highheels der Mutter des Künstlers? Da ist noch ein kleines schwarzes Kästchen, weit oben versteckt in einer Blattpflanze über den blauen Highheels. „after all awe of itself is death“ steht da weiß auf schwarz (Katalog S. 214). Ja, eine Hommage an seine Mutter. In ihrem Todesjahr hat Rosenquist das Panoramabild gemalt. Im Museum Ludwig in Köln bildet es den Auftakt zur großen Retrospektive „James Rosenquist. Eintauchen ins Bild“, der ersten Ausstellung nach seinem Tod im März 2017.

Rosenquists künstlerische Anfänge in New York sind geprägt von seiner Arbeit als billboard painter am Times Squares und am Broadway. Da hatte er gelernt, Objekte werbewirksam auf große Flächen zu bringen und Werbeanzeigen für seine gestalterische Arbeit zu nutzen. Dem Museum Ludwig ist es gelungen, entsprechende Anzeigen Werken aus den Sechzigern zuzuordnen, so die drei Motive des bekannten „President Elect“. Das Portrait von Präsident Kennedy entstammt einer Anzeige zur Wahlwerbung, das graue Kuchenstück einer für eine Backmischung und der Teil einer Karosserie der für einen Chevrolet. Interessant auch die drei Anzeigen, aus denen „I Love You with My Ford“ entstanden ist. Rosenquist wählt Ausschnitte, kippt das Frauengesicht in die Waagerechte und quetscht es zwischen den Kühler des Fordautos und die Spagetti.

Vor einigen Jahren begegnete ich in der Pop Art Sammlung des Museums Ludwig einem Werk, das mich besonders faszinierte. Ein Bildpanorama befand sich an allen vier Wänden eines Raumes. Ich fühlte mich umgeben von Licht, Farben, Glanz. Scheuklappen wegreißen, Irrwege verlassen, sagte ich mir später und wurde bei jedem Besuch im Ludwig erneut hineingezogen. Die Rauminstallation „Horse Blinders“, bestehend aus mehreren Paneelen, hat Rosenquist Ende der Sechziger geschaffen. Peter Ludwig kaufte sie komplett. Jetzt gehört sie zum Bestand des Museums Ludwig, wurde gerade aufwändig restauriert und ist Teil der Retrospektive. Das durchschnittene Telefonkabel entstammt einer Anzeige von „Western Electric“, erfahre ich nun im Quellenraum. Was soll das im Zusammenspiel mit dem schwarzen Rauch und dem Finger?

Jetzt wird’s politisch. Der amerikanische Kampfbomber F-111 jagt durch das gesamte Panorama über vier Wände dieser Rauminstallation von 1965, tangiert Autoreifen, Kuchen, Glühbirne, Mädchen mit Trockenhaube, Strandschirm über Atompilz und endet mit der Spitze im Spagettihaufen. Jagdbomber verknüpft mit Motiven aus der Konsumwelt. Es heißt, der F-111 wurde auch im Vietnamkrieg eingesetzt. Ja, spätestens zu dem Zeitpunkt wird klar, dass der Pop Art Künstler James Rosenquist einerseits Riesenflächen dekorativ bemalt, andererseits in seinen Bildern Abgründe der Gesellschaft vorführt. „Als nuanciertes, aber kühnes Statement stellte der Künstler in F-111 die Frage: Warum haben wir statt Schulen und Krankenhäusern lieber Bomben gebaut?“ (Katalog S. 113 unten)

Eine dritte Rauminstallation kommt mir völlig anders vor, als alles, was ich bisher von James Rosenquist gesehen habe. Farbig bemalte motivlose Streifen und silbernglänzende Folienbahnen im Wechsel über alle vier Wände. Ich gehe hinein und beginne, mich in den Folienstreifen zu spiegeln, bewege mich im Raum und verfolge fasziniert, wie sich das Zerrbild mit jeder Bewegung ändert. Ein Museumsaufpasser beobachtet mich amüsiert und zeigt mir ein Foto, das draußen hängt. Der Meister persönlich in seinem Atelier, wie er die Paneele aufstellt und von unten her Nebel aufsteigt. Im Katalog (S. 183) lese ich mehr dazu. Nach Rosenquists Vorstellung sollten sich die Leute fühlen wie Astronauten im All „looking in their monitors trying to find their way home“. Das erklärt nun den Titel „Horizon. Home Sweet Home“.

Bekannt ist Rosenquist ja vor allem für seine überdimensionalen Formate. Und davon kann ich in dieser Retrospektive etliche staunend bewundern, zum Beispiel „Time Dust – Black Hole“. Gegenstände aus verschiedenen Bereichen fliegen um das schwarze Loch herum. Ich erkenne eine Blechdose, ein Musikinstrument, Bleistifte und Steine, die womöglich irgendwann im Sog des schwarzen Lochs verschwinden. Auf der gegenüberliegenden Seite hängt das farbige Pendant mit weißem Loch in der Mitte. Das wohl größte Werk der Ausstellung ist Teil #1 vom dreiteiligen „The Swimmer in the Enono-mist“ mit 27 m Länge und 3,50 m Höhe, eine Auftragsarbeit für die deutsche Guggenheim Foundation Berlin. Den Titel nehme ich wörtlich und denke an den Schwimmer in der Welt des Wirtschaftsnebels.

Mit dem blinden Passagier, der bei Lichtgeschwindigkeit nach draußen späht, „The Stowaway Peers Out at the Speed of Light“ aus dem Milleniumjahr beende ich den Bericht über meine Eindrücke zu dieser grandiosen Ausstellung im Museum Ludwig und einem Zitat von Museumsdirektor und Kurator Yilmaz Dziewior: „Es ist dieser Widerspruch zwischen der Poppigkeit der heiteren, leuchtenden Farbwahl zu den mitunter abgrundtief dunklen Inhalten seiner Arbeiten…“ (Katalog S. 240)

„James Rosenquist. Eintauchen ins Bild“ im Museum Ludwig in Köln am 7. und 17. Dezember 2017

Katalog zur Ausstellung „James Rosenquist. Eintauchen ins Bild“, herausgegeben von Stephan Diederich und Yilmaz Dziewior, 2017 Museum Ludwig, Köln

2 Gedanken zu „„James Rosenquist. Eintauchen ins Bild““

  1. Pingback: "Ich weiß noch immer nicht, was Pop Art bedeutet..." - James Rosenquist-Werkschau in Köln - der entschleunigte Blick

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