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Malwida von Meysenbug zum Tod von Richard Wagner

  • von

WahnfriedGrab

Rom, Mittwoch 14. Februar 1883

Geliebte Olly, gestern hätte ich nicht gedacht, daß ich Dir heute solch eine Nachricht schreiben müßte; heute morgen war ich allein zu Haus, Trina war aus, die spese zu machen. Da schellt es, ich gehe an die Türe, es ist der Telegraphenmann. Ich habe immer einen Schreck, wenn ein Telegramm kommt, und ich weiß nicht, warum es mich heute besonders ergriff, so daß meine Hand zitterte, als ich es öffnete. Dennoch war ich weit entfernt zu ahnen, was es enthielt. Es war von Loukowsky und enthielt nur die Worte: „Wagner ist gestern 4 Uhr entschlafen“. Ich starrte das Blatt an und wollte meinen Augen nicht trauen, und als ich es doch nicht mehr bezweifeln konnte, überkam es mich wie etwas so Ungeheures, ein so unermeßlicher Verlust für die Welt, daß ich es nicht zu Haus aushielt. Ich mußte hinaus, es überwältigte mich zu sehr. Ich fuhr eilends aufs Telegraphenbureau und telegraphierte an Joukowsky, auch um nähere Nachrichten zu erbitten. Es muß ganz plötzlich gekommen sein, denn vorige Woche hatte ich noch einen Brief von Cosima, der Eva diktiert, da sie an den Augen leidet, in den Wagner selbst einige Worte geschrieben hatte und wo von Unwohlsein nicht die Rede war. Dann fuhr ich zur Dönhoff; ich fand sie in Tränen, in der Morgenzeitung hatte es schon ein Telegramm aus Venedig verkündet. Sie war auch ganz außer sich, und wir besprachen es, daß mit ihm das einzige ideale Leben, was in dieser Zeit noch auf Erden zu finden war, verschwindet. Die arme Cosima, wenn sie nur nicht auch stirbt, denn die Dönhoff sagte, sie habe schon so bleich und erschöpft ausgesehen, als sie jetzt in Venedig war, und sie ist doch so nötig jetzt für die Kinder, besonders Siegfried, und auch für die Sache. Nun wird’s wohl schwerlich Parsifal-Aufführungen dies Jahr geben.
Adieu mein Engel für heute; ach wie schnell wird man auf ewig getrennt.

aus: Im Anfang war die Liebe, Briefe an ihre Pflegetochter von Malwida von Meysenbug, hrsg. von Berta Schleicher, C.H.Beck’sche Verlagsbuchhandlung München 1927, dritte Auflage (S. 167/168)

CoverLiebeOlly

Foto oben: Grabstätte von Cosima und Richard Wagner im Garten der Villa Wahnfried in Bayreuth © Renate Hupfeld

E-Book: Malwida und der Demokrat

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