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Kandinsky und Münter im Lenbachhaus

Seit der Retrospektive von Gabriele Münter im Kölner Museum Ludwig, bei der ich von der Schenkung ihrer und Wassily Kandinskys Bildern an das Lenbachhaus erfahren hatte, plante ich einen Besuch in München. Vor einigen Tagen war es so weit, Besuch der „weltweit größten Sammlung aus dem Künstlerkreis des »Blauen Reiter«“, so steht es in den Informationen des Museums, zweite Etage im Neubau.

Auf einem Foto gleich am Anfang der Ausstellung sehe ich schon meine beiden „Bekannten“ von der Ausstellung in Köln: Gabriele Münter inmitten der Münchner Malklasse von Wassily Kandinsky im Jahre 1902, der Meister zu erkennen an der scharfen Nasenlinie vorne rechts. An der Wand gibt’s auch einen kurzen Abriss der Geschichte: Die Malklasse machte Exkursionen nach Kochel und Kalmütz, wo Kandinsky und Münter sich verlobten.

1904 ging das Paar für längere Zeit auf Reisen nach Holland, Tunis, Rapallo und lebte ein Jahr in Sèvres bei Paris. Zu der Zeit muss es auch gewesen sein, als Kandinsky ein sehr schönes Portrait von Gabriele Münter mit großer grüner Schleife gemalt hat, im Jahre 1905 ist es datiert, gehörte zur Schenkung Gabriele Münters an das Lenbachhaus und ist in der Ausstellung zu sehen.

Im Sommer 1908 kehrten die zwei zurück nach München, mieteten eine Wohnung in Schwabing und entdeckten auf Motivsuche einige Kilometer südlich der Stadt den malerischen Alpenort Murnau am Staffelsee, geeignete Umgebung zum Malen. Davon überzeugten sie auch das russische Künstlerpaar Marianne Werefkin und Alexej Jawlensky. Viele der in Murnau entstandenen Bilder werden hier präsentiert. Da ist Münters Dorfstraße im Winter, das Bergpanorama aus dem Fenster des Gasthofs Griesbräu, wo sie sich eingemietet hatten, und der Blick auf den Staffelsee. Die Künstler malten sich gegenseitig beim Arbeiten in der freien Natur. Gemeinsam fanden sie zu einer neuen künstlerischen Sprache, der expressionistischen. Ohne den Gegenstand zu kopieren brachten sie ins Bild, was sie gerade fühlten. Da sind die Umrisse der Figuren nur so weit angedeutet wie nötig, die Farben extrem ausdrucksstark, dominiert von den Grundfarben rot, blau und gelb.

Aus „innerer Notwendigkeit“ heraus gestalten und die Seele des Betrachters berühren, ein Prinzip, das Wassily Kandinsky in seiner zur Murnauer Zeit entstandenen Schrift „Das Geistige in der Kunst“ ausführlich darlegt und im Zusammenspiel von Farbe, Form und Komposition weiter entwickelte. Seinen Bildern aus der Zeit ist ein großer Teil der Ausstellung gewidmet. In „Impression III (Konzert)“ stellt er ein musikalisches Erlebnis dar, wobei die Farbe Gelb eine besondere Rolle spielt. Die Zuhörer sind in undefinierten Farbflächen angedeutet. Ebenfalls im Jahre 1911 entstand das Bild „Improvisation 19“, in dem die Figuren nur in Umrissen gestaltet und durchsichtig sind. Die Farbe Blau vorherrschend als Darstellung von Gedanken, Gefühlen und Visionen, also dem Geistigen.

Übrigens hatte Gabriele Münter eine schöne kleine Villa oberhalb des Ortes Murnau gekauft, in der sie mit Kandinsky einzog und wo Marianne von Werefkin, Alexej von Jawlensky und auch andere Künstler zu Gast waren und ein reger künstlerischer Austausch zu neuen Ideen und Aktionen stattfand. Zwei Jahrzehnte später malte sie „Das Russen-Haus“, wie die Bewohner von Murnau es genannt hatten.

Zurück in das Jahr 1911: Das Foto zeigt Mitglieder des „Blauen Reiter“ auf einem Balkon in München. Der ältere Herr in der Mitte ist Bernhard Koehler, ein Onkel von August Mackes Frau Elisabeth, der Kunstwerke dieser Gruppe sammelte und dessen Nachlass im Jahre 1965 an das Lenbachhaus überging, darunter „Promenade“ von August Macke und „Blaues Pferd“ von Franz Marc. Dessen Malweise entsprach in besonderer Weise Wassily Kandinskys Gedanken von der „inneren Notwendigkeit“, Motive losgelöst von der Realität und reduziert auf „Das Geistige in der Kunst“. Da ist Franz Marcs „Blaues Pferd“ keine Kopie der Realität, sondern eine Darstellung des Wesens und der Seele des Tieres. Ich stehe vor diesem Bild und kann mich nicht satt sehen an diesem schönen blauen Pferd, ein einzigartiges Werk, entstanden im Jahre 1911. Und im Sommer dieses Jahres entstand bei Marc und Kandinsky in Marcs Gartenlaube in Sindelsdorf nahe bei Murnau die Idee, einen Almanach „Der blaue Reiter“ herauszugeben, in dem sie ihre Vorstellungen jenseits von akademischen Vorgaben hin zu expressionistischer Kunst bis zur Abstraktion zusammentrugen.

Der Ausbruch des erstes Weltkriegs im August 1914 beendete aprupt die schönen Entwicklungen der kreativen Künstlergruppen rund um München, Murnau und Sindelsdorf. August Macke fiel gleich in den ersten Wochen an der Front, Franz Marc zwei Jahre später bei Verdun. Wassily Kandinsky musste Deutschland verlassen. Das war auch das Ende der Beziehung zu Gabriele Münter.

München am 26. November 2019

Gabriele Münter im Ludwig – Köln im Oktober 2018
August Macke – ganz nah – Arnsberg im November 2019

2 Gedanken zu „Kandinsky und Münter im Lenbachhaus“

  1. Kandinsky versuchte in seinen Werken eine enge Beziehung zwischen der Malerei und der Musik herzustellen. Aus diesem Schulterschluss von Musik und Kunst ergaben sich in der Kunst Kandinskys drei Gruppen von Bildern: Die „Impressionen“ als äußerer Eindruck von der Natur, die „Improvisationen“ als Ausdruck spontaner, innerer Regungen und die „Kompositionen“, die nach einem langen inneren Prozess des Schauens entstanden.

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