Nach Übernachtung in München geht’s über Inntalautobahn einschließlich Kufstein/Kiefersfelden, Europabrücke, Brenner, Pustertal, Bruneck, durch das Gadertal nach Corvara. Nur ein paar Kurven hoch nach Colfosco, beim Skipassbüro schon mal den Skipass holen. Der Superdolomiti für die letzte Januarwoche kostet anstatt 282 für Senioren nur 254 Euro. Na bitte! Im Appartment einchecken, auspacken und später beim Sportladen Head Super Joy leihen, Länge 148 cm. Am nächsten Morgen die orangene Hose überstreifen, kariertes Flanellhemd, in Ruhe frühstücken, Brot, Nüsse und Rosinen für unterwegs einpacken. Dann wird’s ernst, die blauweiße Columbiajacke (retro und immer noch schön!) überstreifen, Jacke und Hose bepacken: Portemonnaie in die linke Hosentasche, Sonnenschutz in die rechte, Superdolomiti in die linke Jackentasche, Lippenstift und Tempo in die rechte, Handy in die linke Innentasche, Proviant in die rechte. Fertig? Nein, nein!! Skischuhe, Helm mit Skibrille und Fleecehaube, Handschuhe packen, im Keller Füße in die mühsam geöffneten Skischuhe bugsieren. Spätestens hier denke ich, ich brauchte einen Knappen und erst recht dann, als ich Super Joy und Skistöcke unter den Arm klemme und die Treppe hinaufpoltere. Voilà! Ich wünschte mir die Außentemperatur ein bisschen kühler, vor allem beim Hochstapfen zum Skihang. Der Knappe würde jetzt die Skier tragen, sie mir schön parallel auf die Piste stellen und darauf achten, dass die Schuhe richtig in der Bindung sitzen. Okay, die erste Abfahrt geht bis zur Gondel, dann hinauf ins Edelweißtal, später Frara und Jimmi Abfahrt. Läuft.
Sonne auf dem Frühstückstisch heißt Sellarunde. Wir entscheiden uns für orange, also im Uhrzeigersinn. Mit „Borest“ hinunter nach Corvara, Boè Gondel hinauf, oben das gigantische Bergpanorama, zur Linken Colfoscos Hausberg Sassongher und ganz unten im Tal den Blick auf das Städtchen Corvara bestaunen, Foto machen und rasante Abfahrt nehmen hinunter zum Campolongo Pass. Da kommen Erinnerungen. Früher liefen hier zwei Tellerlifte parallel, ganz früher ein Ankerschlepper, heute bringt uns ein weich gepolsterter Sessel zum Bec de Roces. Dieses Plateau bringt mich immer wieder zum Innehalten und Schwärmen, so schöne Aussichten, wohin ich schaue. Und dann die Abfahrt hinunter nach Arabba, ein Traum. Früher musste man in tiefem Schnee oder Matsch mit geschulterten Skiern durch den Ort wandern und hochlaufen zu den Aufstiegsanlagen, heute können wir mit „Arabba Fly“ gemütlich im Sessel sitzend über den kleinen Ort mit der schönen Kirche schweben, oben ein paar Meter hinunter gleiten und eine von drei Möglichkeiten zur Sella Ronda orange wählen. Stichwort Porta Vescovo. Wir nehmen die Gondel hinauf, staunen immer wieder über den atemberaubenden Blick auf das Sellamassiv mit Boèspitze und die Bergketten Richtung Cortina.
Bei der Abfahrt gab es früher gefährliches Gewusel im buckelig verschobenen oberen Steilstück. Das hat sich mittlerweile durch die Alternative ein paar hundert Meter unterhalb entschärft, sodass viele Skifahrer auf der orangenen Sellarunde die Porta Vescovo aussparen und ein paar hundert Höhenmeter tiefer die Piste zum bequemen Sessel auf den Pass Pordoi nehmen. Auch hier Erinnerungen: Vor einigen Jahrzehnten war das eine popokalte klapprige Angelegenheit. Pünktlich um sechzehn Uhr wurde dicht gemacht, auch wenn man schon in Sichtweite war, über den Pass nach Canazei musste und kein Skibus mehr fuhr. Das bedeutete, zurück nach Arabba gleiten, Freunde anrufen, sich abholen lassen, derweil ein paar Stunden im Gasthaus Furgler warten und sich in grappalauniger Dunkelheit unzählige Serpentinen kutschieren lassen. Achim sei noch immer Dank dafür, Pizzaspende hatte er gleich in Canazei bekommen. Auf dem Pass Pordoi angekommen, heißt es erst wieder innehalten, hinaufschauen zum Sella, wo die Kabine steil auf das Plateau des Massivs führt, wir peilen aber den Sessel zum Belvedere an, schöne Aussicht. Runterflitzen, mit Superdolomiti durch die Schranke schieben, einsteigen und oben ankommen.
Direkt am Steilhang und etlichen Schildern erstreckt sich ein breites Panorama der Extraklasse, vor allem die einzigartige Langkofelgruppe in der Ferne und der Gedanke, da fahren wir jetzt hin. Ob das verhaltene Gewusel der Skifahrer und Beharren an der Kante dem Panorama oder der Angst vor der Falllinie geschuldet ist, frage ich mich jedesmal und stürze mich jedesmal auf der roten Eins in die Tiefe, auf Super Joys Kante vertrauend. Ach ja, Erinnerung: Vor Carverzeiten hatte man in so einem Hang richtig Mühe, die Kante zu finden und auf den Brettern zu bleiben. Aber man war ja ein paar Jahrzehnte jünger und steckte einen Ausrutscher oder sogar das volle Programm mit wegfliegenden Skiern, Stöcken und Gesicht im Schnee locker weg. Doch heute: bewahre mich! Rasant geht es weiter um das Massiv herum zu Lupo Bianco im Tal, hinauf mit Gondel, Sessel und Abfahrt zum Sella Pass.
Das heißt für uns einkehren im großzügig modernisiertem Sellahaus, das wir aus früheren Zeiten als Hütte kennen. Zwei Drittel der Umrundung sind hier geschafft. In einer langen Abfahrt gleiten wir zur Treppe mit unendlich vielen Stufen zum Sessel in Wolkenstein, um weiter zur Gondel hinauf zu Dantercepies und von dort hinunter zum Grödnerjoch zu kommen. Nachdem wir diese vier Pässe, Campolongo, Pordoi, Sella, Grödner, absolviert haben, geht es schattig kühl, zum Teil eisig, zum Teil verschoben unterhalb der Frara Gondel bis zum Edelweißtal. Um elegant das heißt mit wenig Steigung, zurück zum Apartment zu kommen, nehmen wir die Gondel, fahren hinunter nach Colfosco, schwingen nach der Brücke gleich ab auf die Wiese und das wars dann für heute mit Ski fahren, nur noch Super Joy nach Hause tragen.
Nach nächtlichem leichtem Schneefall und leicht nebliger Sicht heißt es am nächsten Tag, langsam angehen lassen. Edelweißtal mit Forcelles, Frara zum Grödnerjoch, Abfahrt zurück nach Colfosco, die wir Jimmi Abfahrt nennen, weil sie direkt unterhalb der Jimmi Hütte beginnt. Das machen wir ein paar Mal und haben am frühen Nachmittag auch unsere 30 Pistenkolometer absolviert.
Sonne pur heißt, nun die Sella Runde entgegen des Uhrzeigers, also grün, angehen. Das Schöne ist: In Colfosco sind wir nur ein paar Fußminuten von der Tour entfernt. Also gleich zum Sessel, der uns an die Frara Gondel und mit der zur Jimmi Hütte und Abfahrt zum Grödnerjoch bringt. Kurze Abfahrt zum Sessel und weitere hinunterfahren und zwei Sessel nach Dantercepies nehmen. Auf dieser Höhe ist auch wieder innehalten angesagt, grandiose Aussicht und immer wieder der Langkofel, von mir gerne der Lange genannt, den wir schon zwei Mal umwandert haben. Die lange Dantercepies Abfahrt bringt uns bis hinunter in die Ortsmitte von Wolkenstein.
Blödes Gewusel im tiefen Schnee an der Hauptstraße, diese überqueren, zur Gondel laufen in die Schlange stellen und abheben über den Ort hinauf nach Ciampinoi. Wieder Aussicht vom Feinsten und oberes Steilstück mit Tendenz zum Beharren an der Kante, wieder auf Kanten der Carver vertrauen, in die Tiefe stürzen und bis hinunter nach Plan de Gralba sausen, mit der feinen neuen Gondel, wo früher ein Sessel war, hinauf und mit weiterem Sessel bis zur Einfahrt in die Steinerne Stadt. Nach dieser kommen wir direkt wieder auf den Sella Pass und fahren gleich weiter hinunter bis zur Gondel Lupo Bianco und erst Mal schöne Pause mit Pasta, Pommes und Salat. Gestärkt geht’s hoch zum Belvedere Sessel und da sind wir wieder auf der Anhöhe mit Blick auf Pordoi Pass und Sellamassiv. Ein bisschen Arbeit haben wir noch vor uns. Erst mal lange Abfahrt hinunter zum Sessel und kurze bucklige Piste zum Ziehweg zum Arabba Fly, hinunter zum Burz Sessel, hinauf zum Bec de Roces und hinunter zum Campolongo Pass. Zügig kommen wir dem Ziel näher, zunächst auf der Piste entlang der Sesselbahn, dann wieder Sessel hinauf und lange Abfahrt nach Corvara. Der Borest bringt uns zur Edelweißgondel, die wir wieder nehmen und nach der Abfahrt elegant über die Wiese den Hang verlassen.
Nachdem am fünften Tag bei strahlendem Sonnenschein zu einer weiteren Sellarunde orange lockte, gehen wir den sechsten und letzten Skitag wieder etwas ruhiger an. Langweilig wird’s nie in der Umgebung von Colfosco und Grödnerjoch. Ohne große Anstrengungen sind die faszinierendsten Eindrücke erreichbar: Edelweißtal, Forcelles, sonnige Terrasse der Forcelles Hütte, Col Pradat, Frara, Jimmi Abfahrt, immer wieder Päuschen für schöne Fotos, als könnten wir diese Schönheiten mitnehmen. Ja, sie werden uns fehlen, die weißgepuderten Felsen mit Zauberzacken, die mächtigen Riesen, allen voran Sassongher und Langkofel, das legendäre Mittagstal und der Eiswasserfall im Sellamassiv und der blaue Himmel.
Walters Tracks und Renates Videos:
Sella Runde grün am 29. Januar 2020
Sella Runde orange am 30. Januar 2020
Edelweiß, Jimmi Hütte am 31. Januar 2020