Was es mit Albert Einstein auf dem Cover der Berliner „Illustrirten Zeitung“ auf sich hat, erfahren wir in einer Wandgeschichte. Die Künstlerin Hannah Höch hat es verwendet für ihre Collage „Schnitt mit dem Küchenmesser. Dada durch die letzte Weimarer Bierbauch-Kulturepoche Deutschlands“, erstellt für die „Erste Internationale Dada-Messe“ in Berlin 1920. Der erste Weltkrieg war ein Jahr zuvor beendet,“Trauma und Zerstörung“ wirkten nach in der Gesellschaft und auch in der Kunst.
An der Wand lese ich: „Sichtbarer als die auf den Schlachtfeldern verbliebenen Kriegstoten sind die unzähligen Kriegsversehrten in den Straßen“ und zum Beispiel im Hinterzimmer eines Dresdner Kaffeehauses wie in Otto Dix Gemälde „Die Skatspieler (Kartenspielende Kriegskrüppel)“, drei grotesk überzogen dargestellte, vom Krieg gezeichnete Figuren.
In den Zusammenhang „Trauma und Zerstörung“ gehört auch die Skulptur „Der Gestürzte“ von Wilhelm Lehmbruck, die er während der Kriegsjahre geschaffen hatte, bewegender Ausdruck der Ohnmacht und Fassungslosigkeit angesichts sinnloser zerstörerischer Gewalt, die den Menschen Tod und unendliches Leid bringt. Berührend auch gleich nebenan eine Figur mit verstümmeltem Bein.
Eine weitere Wandgeschichte in der Sammlung der Berliner Neuen Nationalgalerie hat mein Interesse geweckt. Es geht um die Frage, ob der Surrealismus in Europa die Kunst in Amerika beeinflusst hat. Es geht um ein Gemälde von Max Ernst mit dem Titel „Junger Mann, beunruhigt durch den Flug einer nicht-euklidischen Fliege“, das er für den Titel der surrealistischen Zeitschrift VVV geschaffen hatte.
Ein junge amerikanischer Künstler hatte das Bild nämlich im Jahre 1942 in einer New Yorker Buchhandlung unter dem Motto „Abstrakte Kunst, konkrete Kunst“ entdeckt. Max Ernst, vor einem größenwahnsinnigen Kriegtreiber aus Europa geflüchtet, erklärte ihm die Maltechnik, Farbe nicht mit dem Pinsel aufzutragen, sondern aus einer Dose auf Leinwände tropfen zu lassen. Der junge Künstler war Jackson Pollock. Hat diese Tropftechnik in für sein „Action Painting“ inspiriert?
Weiteres Highlight der Sammlung ist die Bauhaus Wand mit Informationen zu Oskar Schlemmer. Da wird erzählt, wie von Walter Gropius im Jahre 1919 in Weimar eine Kunsthochschule gegründet wurde mit dem Ziel, zusammen mit Architekt*innen, Bildhauer*innen und Maler*innen „gemeinsam den neuen Bau der Zukunft“ zu errichten. Da wurde mit Formen und Farben, verschiedenen Materialien und Techniken für alle Bereiche des Alltagslebens experimentiert und gestaltet.
Es wird auch erzählt, wie Oskar Schlemmer ein Logo für die erste Ausstellung des Bauhaus im Jahre 1923 entwarf. Einige in der Zeit des Bauhaus entworfene Gegenstände und Produkte, wie Möbel und Lampen, sind bis heute beliebt und werden gekauft. Außer der Infowand zum Bauhaus ist in der Sammlung Schlemmers Gemälde „Akt, Frau und Kommender“ von 1923 sowie ein Werk vom Bauhaus Lehrer und Künstler László Moholy-Nagy mit dem Titel „Komposition Z VIII“, entstanden im Jahre 1924.
Konnte man sich nach dem ersten Weltkrieg kaum vorstellen, dass die Brutalitäten noch schlimmer kommen könnten, gilt das Motto „Krieg und Vernichtung“ in besonderem Maße für die Zeit von 1939 bis 1945. Es erforderte Mut, „unter den Bedingungen der nationalsozialistischen Diktatur weiterhin moderne Kunst zu schaffen“, lese ich an der Wand. Da wird berichtet, dass Picassos seinerzeit schon berühmtes Antikriegsbild „Guernica“ heimlich unter dem Ladentisch erworben werden musste. Doch trotz Spitzelei und der Gefahr von Verfolgung gelang es einigen Künstlern in Deutschland, bewegende Gemälde zu schaffen, wie zum Beispiel Karl Hofer, dessen Atelier in Berlin samt dort lagernder Bilder von Bomben zerstört wurde und der „Die schwarzen Zimmer“ neu malte.
Und da ist ein Bild, das mich in besonderer Weise inhaltlich bewegt, weil in ihm alles zusammenfließt, was mich zurzeit angesichts des unmenschlichen russischen Angriffs auf die Ukraine bewegt. Ich zitiere vom Wandtext: „Horst Strempel hingegen verarbeitet seit 1941 seine eigenen Erfahrungen in Internierungslagern. Unmittelbar nach Kriegsende thematisiert er die Vernichtung der jüdischen Bevölkerung in den NS-Konzentrationslagern in seinem Triptychon ‚Nacht über Deutschland‘.“
Besuch der Neuen Nationalgalerie in Berlin am 18. März 2022
Respekt! Du besuchst Berlin und gehst in die Neue Nationalgalerie. Ich lebe in der Stadt und habe es noch nicht geschafft. Um ehrlich zu sein: Ich war seit der Corona-Zeit überhaupt nicht mehr im Museum. Will mir jetzt schnellstens die multimediale Van-Gogh-Ausstellung in Dresden ansehen, über die ich viel Gutes gehört habe.