Bevor ich das Foyer des Museums Ludwig in Köln betrete, betrachte ich ein großes Plakat, befestigt an einem Bauzaun auf dem Platz zwischen Bahnhof, Dom und Museumseingang. Es gefällt mir und ich kann gar nicht genau sagen, warum. Ich sehe doch nur Farben, diese jedoch in einer ganz bestimmten Anordnung. Ja, es gibt was her und je länger ich das Bild anschaue, desto deutlicher wird in dem Geflecht aus dicken und dünnen Linien in dunklen und hellen Tönen für mich so etwas wie ein Motiv. Ich sehe eine Blüte, innen dunkelschwer gefüllt und nach außen hin in leichten Gelb-, Orange-, Rot- und Grüntönen sowie einigen größeren Farbfeldern in Lila. Gut, für eine Blüte ist diese Gestaltung viel zu unsymmetrisch, was jedoch die Harmonie der Komposition überhaupt nicht stört. Das Werk hat was und ich bin total gespannt auf das, was ich in der Ausstellung „Joan Mitchell Retrospective. Her Life and Paintings“ zu sehen bekomme.
Ein großes Foto am Eingang zu den heiligen Hallen zieht zunächst einmal die Blicke an. Das ist sie also, die Künstlerin persönlich, jung, hübsch, selbstbewusst, in der linken Hand lässig eine Zigarette, mit der rechten einen schwarzen Pudel streichelnd. 1925 als zweite Tochter eines erfolgreichen Dermatologen und einer literarisch engagierte Mutter in Chicago geboren, hatte sie in ihrer Kindheit und Jugend alles, was ein Mädchenherz begehrte einschließlich Pferd. Und da sie auch sehr ehrgeizig und ausdauernd war, hatte sie als junge Einkunstläuferin beachtliche Erfolge. Das und mehr erfahre ich aus der vom Museum fein präsentierten Biografie. Joan Mitchell entwickelte schon in ganz jungen Jahren ein Interesse an der Kunst und wählte zielbewusst das entsprechende Studium an Instituten in Northhampton, Chicago und schließlich in New York.
Dort schaffte sie es zu Beginn der Fünfziger doch tatsächlich, in den Klub der angesagtesten Künstler um Willem de Kooning, Franz Kline und Jackson Pollock aufgenommen zu werden. Sind ihre ersten Arbeiten noch beeinflusst vom abstrakten Expressionismus und dem Action Painting, so findet sie, auch durch längere Aufenthalte in Paris und Mexiko, doch bald ihre ganz eigenen Ausdrucksformen in der abstrakten Malerei, die sie in den 40 Jahren ihres Künstlerlebens ständig weiterentwickelt.
Diese Entwicklung kann ich dann in den Ausstellungsräumen chronologisch verfolgen, mir Exponate aus ihrem Nachlass und Interviews anschauen und mich von fast 30 gut bewachten großformatigen Kunstwerken faszinieren und inspieren lassen. „In ihrer absolut eigenständigen Bildsprache treten Konzeption und Emotion in mitunter sehr großen Formaten in einen Dialog, der die Betrachter gleichermaßen sinnlich verführt und intellekturell stimuliert“, lese ich im Ausstellungsbegleitheft.
Und das trifft genau mein Erleben dieser außergewöhnlichen Künstlerin, deren Werke im Besitz der berühmtesten Museen der Welt sind, wie dem Museum of Modern Art in New York und dem Centre Pompidou in Paris. Besonders berührt mich das Werk „Merci“, das sie im Jahr ihres Todes 1992 geschaffen hat. Diese Komposition mit konzentrierten Blau- und Orangefeldern umgeben von ganz viel Weiß ist so eigenartig und einzigartig, wie ein Gemälde nur sein kann.
Was mich an Joan Mitchell ganz besonders fasziniert? Die Zielstrebigkeit, mit der sie unbeirrt ihren künstlerischen Weg wählte und die Schaffenskraft, mit der sie ihn kompromisslos ging. Diese unglaubliche Power spüre ich in den Interviews, in den Exponaten aus ihrem Nachlass und vor allem in jedem ihrer in Köln präsentierten Werke.
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