Man nennt sie „Königin der Dolomiten“ und manche Legende rankt sich um die Marmolada, den höchsten Berg in den Dolomiten. Eine junge Bäuerin habe am Tag der Schneemadonna noch schnell ihr fettes Heu in den Stadl holen wollen. Da habe es zu schneien begonnen und nicht mehr aufgehört. Nun sei sie mitsamt ihrer Alm und ihrem Häuschen unter ewigem Schnee gefangen und ihre dicken Tränen würden noch heute mit dem Wildbach durch das Fassatal fließen.
Wenn man sich für eine Skitour zu diesem legendären Gletscher entscheidet, ist der kleine Ort Arabba idealer Ausgangspunkt. Wir nehmen den Lift zum Monte Burz, fahren zum neuen Verbindungssessel, der uns über die Passstraße hinweg zur Kabinenbahn auf die Porta Vescovo bringt. Beim Verlassen des Ankunftsgebäudes sehen wir schon schräg gegenüberliegend in der Ferne das weiße Gletscherband, von zwei Seiten felsig eingerahmt. Eine rote Abfahrt führt uns zum Sessellift, der uns in südöstliche Richtung den Berg hinauf bringt. Nach einer weiteren Abfahrt nehmen wir einen zweiten Sessel zum Passo Padon und fahren von dort über den Passo Fedaier auf roter und blauer Piste bis weit hinunter nach Malga Ciapela. Hier befindet sich die Talstation der Kabinenbahn zum Abfahrtshighligt der Dolomiten.
Wie in der Kabine zur Porta Vescovo stehen wir wieder im dichten Gedränge auf kleinem Raum und schweben von 1400 m mit einem kurzen Umstieg in eine andere Kabine auf 2950 m Höhe. Hier im Rifugio Serauta ist einiges los. Man kann einkehren und sich stärken, Souvenirs einkaufen und sich in eigens geschaffenen Räumen einer grandiosen Ausstellung zu einem weniger grandiosen Thema widmen. Im Gletschergebiet der Marmolada verlief nämlich im ersten Weltkrieg die Frontlinie zwischen italienischen und österreichischen Truppen. Die österreichischen Kämpfer erbauten eine so genannte Eisstadt. Stollen bis zu 40 m unter der Gletscheroberfläche dienten der Unterkunft, Versorgung und Lagerung von lebensnotwendigen Materialien und Munition. Die ausgestellten Exponate, Installationen, Fotos, Handschriften und ein Film lassen die höllischen Bedingungen und die bitteren Verluste eines Krieges im eisigschroffen Hochgebirge erahnen und nacherleben. Der Eintritt in das „Museo della Grande Guerra“ ist frei. Man kann jedoch mittels Spendenbox seinen Respekt für diese großartige Präsentation zeigen.
Inzwischen haben wir uns ein wenig an die Gegebenheiten eines Dreitausenders gewöhnt und begeben uns zur nächsten Kabinenbahn, die uns noch einige Höhenmeter zum Punta Rocco auf 3265 m bringt. Wieder stellen wir die Skier erst einmal zur Seite und gelangen über einige Treppen zur Panoramaterrasse. Was wir aus dieser Perspektive in allen Richtungen entdecken, ist wirklich atemberaubend.
Da ist der endlose Reigen von spektakulären Bergketten und Gipfeln, von denen wir einige bei unseren anderen Dolomitentouren ja bereits kennengelernt haben, wie den Langkofel samt Nachbarn und den anderen Dreitausender, den Piz Boé, der unverkennbar aus dem Plateau des mächtigen Sellamassivs herausragt. Doch unser Highlight für heute erblicken wir ein paar Meter unter uns. Da lacht das Skifahrerherz. Wir gehen hinunter, packen unsere Skier, trollen uns zum Ausgang und stellen uns erst einmal in die Gruppe der Wartenden, denn hier ist der Ausgangspunkt einer Skiabfahrt, die wir nicht oft und schon gar nicht jeden Tag machen. Der Schnee ist wunderbar pulvrig wie er auf mehr als 3000 m Höhe nur sein kann. Und weil der Sauerstoffgehalt der Luft geringer ist, lassen wir es langsam angehen. Kurve um Kurve tasten wir uns in die so genannte „Bellunese“, gewinnen allmählich Sicherheit und sind überwältigt von den nach jeder Biegung sich ändernden Ausblicken. Irgendwann entdecken wir den schneebedeckten Fedaiasee, halten aber nicht an, denn diese Piste zieht uns unwillkürlich weiter, vorbei an der Fedaiahütte, queren die Passstraße, gleiten weiter, bis wir die 12 km und 1800 Höhenmeter überwunden haben. Traum von einer Abfahrt.
Zurück in Malga Ciapela nehmen wir den Sessel zum Passo Padon, wo wir uns nun in der gleichnamigen Hütte eine Pause gönnen, auch wenn das viele andere Skifreaks auch machen und entsprechend viel los ist. Um später zum Ausgangsort unserer Tour zurückzukommen, geht hier oben kein Weg an der Engstelle vorbei, in der wir uns zusammen mit all den anderen durch das Gewusel kämpfen und schließlich auf einer langen Abfahrt mit einer der berühmten schwarzen Pisten von Arabba belohnt werden.
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