… und haben bewiesen, dass sie auf dem richtigen Weg waren. Im Jahre 2006 mit roter Irokesenfrisur auf dem Blauen Sofa? Das war schon etwas Besonderes. Sascha Lobo wurde auf keinen Fall übersehen, als er zusammen mit Holm Friebe durch die Gänge der Messehallen eilte, obwohl ihn derzeit wohl kaum jemand kannte. Inzwischen gibt es kaum jemanden, der ihn nicht kennt. Und ich finde, das ist einen kleinen Rückblick auf meinen ganz persönlichen Bericht vom Gespräch mit der Moderatorin Miriam Böttger auf der Frankfurter Buchmesse 2006 wert:
„Digitale Bohème auf der Frankfurter Buchmesse
Sie gehören einer „seltsamen“ Firma namens „Zentrale Intelligenz Agentur“ an, sind mit ihrer Website Riesenmaschine.de Grimme Online Preisträger und sie haben ein Buch geschrieben, mit dem sie es geschafft haben, in der Reihenfolge zwischen Claudia Roth und Tom Buhrow auf dem blauen Sofa zu sitzen. Holm Friebe und Sascha Lobo, zwei Anfangdreißiger aus Berlin. „Wir nennen es Arbeit“ ist der Titel ihres Buches. Im Untertitel wird stichwortartig aufgezählt, um was es in diesem Werk geht: „Die Digitale Bohème oder intelligentes Leben jenseits der Festanstellung“.
Wie bei der historischen, die sie „analoge Bohème“ nennen, definieren sie den Begriff „digitale Bohème“ als eine bestimmte Form der Arbeit außerhalb der klassischen Strukturen an urbanen Orten im privaten und halböffentlichen Raum. Kurz gesagt und auf die heutige Zeit bezogen, das tun, wozu man Lust hat und dabei mit Hilfe des Internets noch ein bisschen Geld verdienen.
Mit dem Buch sollen zum Beispiel der „Generation Praktikum“ Alternativen aufgezeigt werden zum vierten Versuch, wenn man nach drei Praktika immer noch keinen Job hat. Stichwort Festanstellung: Die nennen sie eine „schleichende Krankheit“, über die man nichts Genaues weiß, außer dass man auf einem Bürostuhl herumsitzt und mit einem Schmerzensgeld namens Gehalt entlohnt wird. Festanstellung liefert keinesfalls Sicherheit. Die Autoren verweisen auf Siemens und BenQ.
Für die neue Form der selbstbestimmten Arbeit, wie sie die „Zentrale Intelligenz Agentur“ praktiziert, sind die Mindestanforderungen auf drei Gegebenheiten reduziert: gemeinsame Website, gemeinsame Steuernummer und das Programmieren intelligenter Tools wie die Riesenmaschine. Die Firma operiert nicht mit Angestellten, sondern mit Agenten und inoffiziellen Mitarbeitern. Teure Büroräume stören nur, Arbeitsorte können überall dort sein, wo es W-LAN gibt. Produktionswerkzeuge im klassischen Sinne liefert das Internet, ebenso Vertriebswege und Kommunikation.
Kann man die provozierenden Statements als Kapitalismuskritik einordnen? Im Gegenteil, sagt Sascha Lobo, er ist Werbetexter und müsste sich ja in der Mitte durchschneiden, obwohl die Schnittmarke auf seinem Kopf darauf hinweisen könnte. Dabei zeigt er auf seine rot gezackte Irokesenfrisur. Nein, mit der bestehenden Wirtschaftsordnung gehen sie durchaus konform und können ihre Arbeit in diesem System integrieren, Schnittstellen finden, ergänzt Holm Friebe. Doch einen besseren Kapitalismus stellen sie sich vor. Einen, der freies und selbstbestimmtes Arbeiten, wie sie es sich vorstellen, besser fördert. Zu beklagen ist die mangelnde Berücksichtigung ihrer Ideen in bestehenden Programmen von Interessengruppen und politischen Parteien. Daran müsse man noch arbeiten, ohne jetzt jemanden „zur Sau“ machen zu wollen.
Und wie sieht es mit Solidarität untereinander aus? Die gibt es unausgesprochen. Die Anzahl derer, die zur „digitalen Bohème“ gezählt werden können, ist weitaus größer als siebzehn Leute in Berlin Mitte. Die typische Szenerie findet man zum Beispiel auch in einem Café in Hamburg oder Zürich, wo Leute mit ihren Laptops sitzen, wie der Theaterregisseur aus Island, der Werber aus Berlin und einer, der in seinen Blog schreibt.
So kann intelligentes Leben und Arbeiten jenseits der Festanstellung aussehen. Für viele rätselhaft. Eine Utopie? Die Zukunft der Arbeitswelt wird es zeigen. Ungewöhnliche Wege gehen ist auf jeden Fall besser als jammern.“
Mehr dazu auf meiner Homepage:
Da fällt mir der Spruch v. Friedrich Nietzsche ein: „in jeder trägt eine produktive Einzigkeit in sich, als den Kern seines Wesens; und wenn er sich dieser Einzigkeit bewußt wird, erscheint um ihn ein fremdartiger Glanz, der des Ungewöhnlichen. „